Mangelware Fahrer – Neue Wege in der Personalbeschaffung

Kein Fahrer = keine Entsorgung. Diese Gleichung mussten schon einige Entsorger, Kunden, Bürger und Politiker kennen lernen. Der Branche fehlen Lkw-Fahrer. Wir haben mal geschaut, welche Wege Entsorger und andere gehen bei der Personalrekrutierung.

Die Telefone liefen (und laufen) heiß, Mitarbeiter mussten sich wilde Beschimpfungen von aufgebrachten Bürgern über nicht-geleerte Mülltonnen anhören. Die AWSH –  als kommunaler Entsorger zuständig für die Kreise Storman und Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein – steht gegenwärtig massiv “unter Beschuss”. Der Grund: Der beauftragte Entsorger hat seit Kurzem einen massiven Fahrermangel. Wie mehrere Zeitungen berichten, hilft nun sogar die Stadtreinigung Hamburg und die Entsorgungsbetriebe Lübeck aus. Zudem plane die AWSH, dem Auftragnehmer eine Zuschlag zu zahlen, damit dieser die Fahrer attraktiver vergüten und so besser offene Stellen besetzen könne.

Schon im letzten Jahr warnte der bvse vor einer Belastung der Abfallwirtschaft als Folge des Mangels an qualifizierten Fahrpersonals. Das Berufsbild des Kraftfahrers müsse für die jetzige Generation wieder attraktiver werden, so die zentrale Forderung des Verbandes. Und selbst für kommunale Entsorger werde es immer schwieriger, Fahrer zu bekommen. Nach Bernd Loser, Personalratsvorsitzender der Entsorgungsbetriebe der Stadt Ulm, verließen sich die öffentlichen Arbeitgeber bislang darauf, auf dem Arbeitsmarkt Fahrer zu finden. Es sei jedoch höchste Zeit  umzudenken und sich mehr in der Fahrer-Ausbildung zu engagieren, schreibt er in einem Beitrag auf der Verdi-Website .

So gewinnen Sie Berufskraftfahrer

Die Analyse ist klar, doch was können Entsorger tun? Und zwar unabhängig von der -selbstverständlich wichtigen – monetären Vergütung? Es gibt mehr Möglichkeiten als man zunächst denkt, davon ist Frau Prof. Anja Thies von der Hochschule Fulda überzeugt. In einem Forschungsprojekt untersuchte sie, wie gerade kleinere Unternehmen für künftige Mitarbeiterr interessant würden und wie Fahrer auch im Betrieb zu halten seien.

Das wesentliche Ergebnis: Durch sozial nachhaltige Personalarbeit können selbst kleinere Unternehmen attraktiv sein. Offen sein Mitarbeitermeinungen, verstärkt Frauen einsetzen, das Arbeitgeberimage verbessern, das sind ihre zentrale Tipps. Und alle Kanäle zur Beschaffung von Fahrern und Ausbildungsinteressierten nutzen wie z.B. Tag der offenen Tür, Kooperationen mit Schulen, regionale Messen.

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Quelle: DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung

Was Entsorger und andere tun für die Personalbeschaffung

Sei´gut und rede darüber! Wenn Nehlsen als Bremens bester Arbeitgeber ausgezeichnet wird, ist das dem Unternehmen eine Nachricht wert (Nehlsen Pressemitteilung). Genauso hält es die Buhck-Gruppe, die vom Focus ebenfalls als Top-Arbeitgeber ausgezeichnet wurde (Buhck Pressemitteilung). Und das Lobbe als einer der besten Ausbildungsbetriebe Deutschlands ausgezeichnet wurde, wird ebenso stolz vermeldet (Lobbe Pressemitteilung).

Viele Entsorger nutzen die eigenen LKW´s, um auf Mitarbeiterfang zu gehen. So zum Beispiel die Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW). Die Kampagne für die Ausbildungsberufe der ELW startete 2016 mit großen Porträts echter ELW-Azubis und den Schlagworten „Technikfreak“ und „Outdoorfreund“ auf allen Müllfahrzeugen. Unter dem Motto “Ich arbeite bei den ELW….” berichten Mitarbeiter auf der Firmen-Homepage von ihrem Job.

Einen Schritt weiter in Richtung digitales Personalmarketing ist Remondis gegangen. Der Branchenprimus hat gleich eine eigene Webseite mit passender Domain remondis-fahrer.de, um neue Fahrer und Azubis zu gewinnen. für neue Fahrer: remondis-fahrer.de. Slogans wie “Feierabend, wo er am schönsten ist: Zuhause” oder “Hier wird’s garantiert nicht langweilig” sprechen die Besucher bewusst anders an. Und die Interessierten können gleich nachlesen, was Remondis-Fahrer von ihrem Arbeitsplatz halten:

Screenshop remondis-fahrer.de

Screenshot remondis-fahrer.de

YouTube als digitale Jobbörse – Polizei Berlin setzt auf Influencer

Einen anderen Weg ist die Polizei Berlin gegangen. Sie hat ein YouTube-Video gedreht. Denn heutzutage verbringt der Nachwuchs oft mehr Zeit mit und vor YouTube-Videos als vor dem TV-Gerät.

„Guten Morgen, ich bin Thomas und bin hier Ausbilder bei der Polizei Berlin im mittleren Dienst. Wir haben uns mal den Aaron als Praktikanten für einen Tag geholt“, ruft der Polizist in die Kamera. In dem 15-minütigen Video begleitet Aaron den Ausbilder einen Tag lang als angehender Polizist, übt sich an der Waffe, muss im Gleichschritt mit den echten Jungpolizisten marschieren und versucht sich an Personenkontrollen.

Doch Aaron ist kein “normaler” Praktikant – Aaron ist eigentlich Influencer und betreibt bei YouTube den Kanal „Hey Aaron!!!“. Dort postet er in regelmäßigen Abständen Videos, in denen er beispielsweise auf Fitness- und Bootmessen unterwegs ist – oder eben wie bei der Berliner Polizei für einen Tag in andere Berufe schaut. Rund 828.000 Nutzer folgen ihm dabei.

Der Erfolg kann sich sehen lassen: In weniger als 24 Stunden erreichte das Video laut absatzwirtschaft.de mehr als 520.000 Kontakte zur Zielgruppe und erzielte über 34.000 Reaktionen.

Ist das etwas nur für große Unternehmen? Nein – auch kleine Unternehmen können einen “Video-Hit” landen, wie das Beispiel eines Glasers aus dem Landkreis Cuxhaven zeigt. Weil er keine Azubis fand, drehte der kreative Handwerker ein Video und nennt dabei attraktive Bedingungen. Mit überraschendem Erfolg: Fast eineinhalb Millionen Menschen haben das Video binnen weniger Tage angeklickt und eine wahre Bewerberflut ausgelöst, berichtet der NDR.